Die Geschichte der katholischen Kirchengemeinde St. Josef beginnt, wie so vieles in unserer Bundesrepublik, im Jahre 1945, einem Jahr 0.
Esslingen hatte den Krieg fast unversehrt überstanden. Der Chronist erinnert sich noch, wie der Pfarrer der Gesamtkirchengemeinde Esslingen – es gab ja damals nur eine – Herr Dekan Dr. Lämmle in den Tagen vor dem Umsturz zum Gebet zum Hl. Josef aufrief, dem er Esslingen als Schutzpatron anempfahl.
Esslingen blieb verschont – was Wunder, dass in diese Oase in den Trümmerwüsten Deutschlands besonders viele Heimatvertriebene eingewiesen wurden.
So stieg die Anzahl der Katholiken in Esslingen von einer „kleinen Herde“ auf ein Drittel der Gesamtbevölkerung.
Der mit der Währungsreform verbundene Aufschwung füllte auch die Kassen der Kirchengemeinden. Angesichts der sonntags überfüllten Kirche St. Paul und der vielen Neubauten überall im Stadtgebiet, lag es nahe, in den größeren Wohnungsneubaugebieten in den – damals noch landwirtschaftlich geprägten ehemals fast rein evangelischen – Vororten katholische Gemeinden zu errichten.
Natürlich wurden nicht sofort Kirchen gebaut – so wohlhabend waren „die Katholischen“ zumindest damals nicht. Mit Gottesdiensten in Baracken (auf dem Zollberg) oder Werkskantinen (in der Esslinger Maschinenfabrik in Mettingen) fing es an.
Die katholischen Bewohner von Hohenkreuz, Wäldenbronn und St. Bernhardt konnten sich glücklich schätzen: In damals noch gar nicht so selbstverständlicher ökumenischer Gesinnung erlaubte die evangelische Kirchengemeinde St. Bernhardt mit Vertrag vom 24. Februar 1954 – Ordnung muss sein – der katholischen Kirchengemeinde St. Paul, im Kirchlein St. Bernhardt sonntags um 18.00 Uhr Messe zu halten.
Dass das nur eine vorübergehende Einrichtung sein konnte, war selbstverständlich. So wurde schon 1954 ein Kirchenbauverein gegründet. Sammeln tat not – die monatlichen Beiträge zum Kirchenbauverein beliefen sich pro Person auf DM 3,00 bis DM 5,00, je nach Selbsteinsätzung. DM 3,00 waren damals ungefähr zwei Stundenlöhne!
Es nimmt nicht wunder, dass bei der Bauausführung auf äußerste Sparsamkeit Wert gelegt wurde. Der Kostenvoranschlag von Architekt Reutter sah für die Kirche DM 160.000,00 vor, für das Pfarrhaus weitere DM 35.000,00. Der für Kindergarten und Gemeindesaal angesetzte Betrag von DM 65.000,00 fiel dem Rotstift ganz zum Opfer. Und von den angesetzten Summen wurde noch ein erklecklicher Teil durch Feierabend– und Samstagsarbeit der Männer der künftigen Gemeinde aufgebracht. Bauaufsicht, Gewerbeaufsicht und nicht zuletzt das Finanzamt haben – wohl auf „höhere Eingebung“ – nicht so genau hingeschaut.
6.700 Arbeitsstunden wurden insgesamt geleistet.
Angesichts der Dankbarkeit gegenüber dem Schutzpatron für Hilfe in schwerster Zeit war die Wahl des Namens der neuen Kirche keine Frage: Nach der zuvor gebauten Kirche St. Maria in Mettingen musste die zweite neue Gemeinde den Namen St. Josef tragen. Und schlicht wie das Erscheinungsbild ihres Patrons in der Kirchengeschichte wurde auch die Kirche, zu der am 10. Juni 1956 von Dekan Wirth der Grundstein gelegt wurde.
Am 28. und 29. September 1957 wurde die neue Kirche von Bischof Leiprecht geweiht. Zum Kuraten der neuen „Seelsorgestelle“ – Pfarrei und Pfarrer wurde man damals noch nicht so schnell – wurde Vikar Alfons Mühleck bestellt.
Pfarrer Alfons Mühleck |
Er wirkt heute noch in der von ihm mitbegründeten Gemeinde – längst zum Pfarrer ernannt und mit „seiner“ Kirche aufs innigste verwachsen.
Ein paar Zahlen zur Kirche:
Das Kirchenschiff ist 32 m lang, 15 m breit und 11 m hoch. 22m hoch ist der Turm, 350 Sitzplätze harren der Besucher, 144 kleine Buntglasfenster, die zum Teil als Kreuzwegstationen ausgebildet sind, lassen das Tageslicht herein. Das große Rundfenser von Sepp Vees auf der Rückseite stellt Josef dar, wie er vom Engel den Auftrag erhält, Maria zu sich zu nehmen (Matth. 1,18). Es misst 2,5 m im Durchmesser.
Die Gemeinde umfasste damals die Stadtbezirke Hohenkreuz, Wäldenbronn, Obertal, Serach, Wiflingshausen und St. Bernhardt.
Recht schmucklos war die neue Kirche – noch. Beschönigend meinte das „Katholische Sonntagsblatt“ am 13. Oktober 1957: „Die neue Kirche hat … keine Bilder oder Statuen. Nichts lenkt den Blick vom Altar ab.“
Auch die eingebaute Orgel war keineswegs neu. Etwas asthmatisch versah sie ihren Dienst. Von Glocken war ebenfalls keine Rede.
Die Messgewänder waren größtenteils von der Muttergemeinde St. Paul gestiftet oder geborgt.
Und dann begann für die neue Kirche und die neue Gemeinde der Alltag. Schon früh – zum 22. Dezember 1957 erschien das erste Mitteilungsblatt, das seither die Gemeinde regelmäßig informiert und auch dem Chronisten genügend Stoff gab, um seiner Pflicht zu genügen.
Sonntagsgottesdienste waren und sind bis heute um 08.00 und 10.30 Uhr.
Schon in den ersten Mitteilungsblättern wird der Kauf einer Madonna angesprochen – und um Spenden gebeten. Die Bitte um Spenden ist bis heute eine der wenigen gleichgebliebenen äußeren Erscheinungsbilder – sicher nicht nur in der Gemeinde St. Josef.
Am 08. Juni 1958 meldet das Mitteilungsblatt den endgültigen Erwerb der Madonna – eine Zierde des Gotteshauses und beileibe keine „Ablenkung vom Altar“.
Es gab eine „Osterkommunionordnung“; so war am 23. März 1958 Osterkommunion der Frauen, am 30. März 1958 jene der Männer. Am 01. Juni 1958 wurde zum ersten Mal in der neuen Kirche der Gottbekenntnistag der Jugend gefeiert.
Niemand ahnte wohl, welcher rasche und tiefgreifende Wandel nicht nur im äußeren Erscheinungsbild der Kirche mit der Inthronisation von Papst Johannes XXIII am 09. November 1958 ihren Anfang nahm.
Am 14. Dezember 1958 wurde in den Mitteilungen erstmals zur Kirchenchorprobe eingeladen. An Weihnachten sollten einige – deutsche – Lieder gesungen werden. Der Anfang einer noch heute wichtigen Institution der Gemeinde war gemacht. Kar Bier war der erste Dirigent.
08. März 1959: Wahl der Ortskirchensteuervertretung Esslingen. Die 3.000 Katholiken St. Josefs konnten 4 von 24 Mitgliedern dieses Vorläufergremiums der heutigen Kirchengemeinderäte wählen.
Im Sommer 1959 ist in Stuttgart Bundesfest der Katholischen Jugend Deutschlands. Es gab – u.a. – eine Jugendrevue. Thema: „Wer schwarz ist, braucht nicht Farbe zu bekennen.“ Und niemand sah in diesem Thema die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder ihr Pendant auf religiösem Bereich in Gefahr.
Die „Fastenaktion 1960“ vor Ostern war der Vorläufer der heutigen MISEREOR-Aktionen.
Und zwischen diesen Verkündigungen und Meldungen immer wieder ernste, grundsätzliche Töne: „Unsere Kirchen sind keine Versorgungsanstalten. Das gläubige Volk ist keine Kundschaft. Wir sind alle miteinander Partner.“ (Kirchliche Mittelungen vom 16. Oktober 1960).
Und endlich: „Auf den 15. April 1962 hat unser Bischof Carl Joseph die selbständige katholische Stadtpfarrei St. Joseph errichtet“. Der Aufbau ist zu einem gewissen Abschluss gekommen. Am Rande: Der erste Täufling der neuen Pfarrei war der Sohn des Chronisten. Und das, weil Krummenacker auch zur neuen Pfarrei kam, zusätzlich zu den anderen, schon erwähnten Ortsteilen.
Bald zeige es sich, dass beim Kirchenbau doch zu sehr gespart wurde: 1963 wurden Reparaturarbeiten am Fußboden der Kirche notwendig (DM 20.000). Die Trägerbalken, die direkt in den Lehm gesetzt wurden (!), waren schon verfault. Es sollte nicht die letzte Reparatur sein!
1963 begann das Sammeln für die Glocken. Sie kamen 1965 und wurden am 16. Mai 1965 durch Dekan Hirsch geweiht. Ein paar prosaische Stichworte für das schöne Geläut:
- Josefsglocke Ton f‘ 840 kg
- Marienglocke Ton g‘ 600 kg
- Christopherusglocke Ton b‘ 350 kg
- Michaelsglocke Ton c‘‘ 260 kg.
Jetzt fehlte der Kirche eigentlich nur noch eine neue Orgel. Die alte war von vornherein nur als Notbehelf gedacht und am 12. Dezember 1965 war zum ersten Mal ein Spendenaufruf für eine neue Orgel in den Kirchlichen Mitteilungen, verbunden mit einer originellen Idee: Jedes Gemeindemitglied sollte symbolisch eine der 1.500 Pfeifen kaufen, die zwischen DM 5,00 und DM 150,00 je Stück kosteten. Am 18. Dezember 1966, ein Jahr später, war dann auch Orgelweihe.
Zuvor, vom 20. März bis 02. April 1966, waren Missionswochen für die Pfarrangehörigen, deren Zahl in der Pfarrzählung vom 20. Januar 1967 mit 3.430 festgestellt wurden, 700 davon wurden im Durchschnitt des Jahres 1966 als regelmäßige Kirchenbesucher gezählt.
Es waren die Jahre des Vatikanischen Konzils, das mit der Liturgiereform einen tiefen Einschnitt in das Gebetsleben der Gemeinde brachte und mit der Demokratisierung der kirchlichen Verwaltung auch die äußere Organisation des Gemeindelebens veränderte: 1968 fand am 07. April die erste Wahl zum Kirchengemeinderat statt. Dr. Hanns Maiss wurde mit der höchsten Stimmenzahl in dieses Gremium gewählt, dass ihm das Amt des 2. Vorsitzenden übertrug. Bis heute hat er diese wichtigste Funktion eines Laien in einer Gemeinde inne.
Nicht zuletzt dieser Demokratisierungsprozess machte den Bau eines Gemeindehauses immer dringlicher, zumal die geburtenstarken Jahrgänge auch den Bau eines Kindergartens vordere Priorität verschafften. Im Sommer 1971 wurde den Plänen von Architekt Helmut Michel die Genehmigung erteilt, am 10. Oktober 1971 war Grundsteinlegung und am 04. Februar 1972 Richtfest.
16 Monate nach Baubeginn, am 03. Dezember 1972, war Einweihungsfeier des modernen und großzügig gestalteten Baus neben der Kirche, der freilich auch heute noch einiger Vervollständigungen harrt. Die Kassenlage erlaubte eben selbst in den Jahren der Hochkonjunktur nicht die Erfüllung aller Wünsche, zumal Sammlungen für Biafra und Vietnam neben den anderen, längst traditionell gewordenen Kollekten wie MISEREOR und Adveniat die Gemeinde zum Blick – und zur Hilfe über den Kirchturm hinaus zwangen.
Die übermäßige Sparsamkeit beim Kirchenbau 1957 rächte sich weiter bitter: Das undichte Dach, die Schäden am Turm (Baufälligkeit) und die unzureichende Heizung forderten 1974 eine Generalüberholung. Die Kirche musste im Mai 1974 geschlossen werden und erst zu Weihnachten 1974 konnte die Gemeinde in der Kirche wieder Gottesdienst feiern. DM 300.000,00 mussten für die Instandhaltung ausgegeben werden, mehr als 1957 für den Neubau einschließlich des Pfarrhauses (dessen Enge heute noch nach Ausbau schreit!).
Neuer Altar zum Jubiläum
Aber erst am 09. Mai 1976 erstrahlte das Innere des Gotteshauses zur Weihe des neuen Altares nach dessen Erneuerung und der Restauration von Kreuz, Madonna und Antoniusfigur in seiner heutigen klaren, schönen und zeitgemäßen Form. Ein würdiger Rahmen für das 20jährige Jubiläum der Kirche im Jahre 1977, das die nunmehr vor allem durch das Neubaugebiet Bärenwiesen auf 4.800 Mitglieder angewachsene Gemeinde zusammen mit dem 25jährigen Priesterjubiläum ihres Pfarrers Alfons Mühleck am 25. September 1977 feiern konnte.
Wie stellt sich heute – zum 25jährigen Jubiläum 1982 – die Gemeinde dar?
Unverändert besteht sie aus den Stadtbezirken Hohenkreuz, Wäldenbronn, Obertal, Serach, Wiflingshausen, Krummenacker und St. Bernhardt.
Die Pädagogische Hochschule steht seit einigen Jahren im Gemeindegebiet, zu dem seit eh und je auch die Kasernen, das Waisenhaus und das Krankenhaus Serach gehören. Gerade die beiden letzten Institutionen erfordern vom Seelsorger in St. Josef einen besonderen Einsatz, während die Soldaten in den Kasernen vom Militärpfarrer von Böblingen betreut werden.
Der Kindergarten hat zwei volle Gruppen, das Gemeindehaus sieht in buntem Wechsel den Tanzkreis, die Jugendgruppen, Sportgruppen und Seniorenveranstaltungen der Gemeinde in seinen Mauern.
Der Kirchenchor kann schon 1983 sein 25jähriges Jubiläum feiern. Er steht heute unter der Leitung von Herrn Horst Sanguinette und vereint rund 50 Sängerinnen und Sänger zum Singen ad majorem die gloriam.
Nach weitgehendem Abschluss der neuen Bauten im Gewann Bärenwiesen dürfte die Gemeinde heute ihre endgültige Ausdehnung gefunden haben. Durch die Neubauten ist es eine junge Gemeinde mit häufig neuen – willkommenen – Gesichtern geblieben. Der glückliche Umstand, dass seit Anbeginn stets derselbe Pfarrer die Geschicke leitete, beschleunigte den Prozess des Zusammenwachsens. Und so werden sicher von St. Josef noch viele gute Impulse in die große Gesamtkirchengemeinde von Esslingen und darüber hinaus ausgehen.
Pfarrer Winfried Häberle |
Im Sommer 1986 folgte eine weitere Renovierung mit großem Umbau. Der Aufgang zur Empore wurde von der Mitte des Vorraumes auf die linke Seite in die Kirche verlegt.
Auch der Pfarrhausumbau stand seit vielen Jahren an und wurde 1991 nach den Plänen von Architekt Gerhard Friesch, Esslingen, umgesetzt. Auch die Räume im Gemeindezentrum wurden in diesen Jahren umfassend renoviert.
Bald darauf wurde deutlich, dass nicht nur die Sanierung der Technik in der Kirche anstand. Um ein gänzlich erneuertes St. Josef Wirklichkeit werden zu lassen, wurden nach eingehenden Beratungen der Glaskünstler Raphael Seitz, Heilbronn, und der Architekt Helmut Habrik, Esslingen, mit der Ausführung beauftragt.
Diese durchgreifende Neugestaltung des Kirchenraumes, zu der die ganze Gemeinde mit vielen Spendenaktionen beitrug, erfolgte im Jahre 2004.
Der neue Licht- und Klangraum wurde Wirklichkeit.
Quellen:
Chronik bis 1982 von Wilhelm Sonntag, Rektor a.D., anläßlich des 25 jährigen Jubiläum von St. Josef 1982.
Text ab 1982 aus der Festschrift zum 50-jährigen Kirchenjubiläum 2007.
Bilder von Dr. Franz Hein.